70 Geburtstag

Ein Osnabrücker Autor: Bernhard Schulz wird heute 70 Jahre alt

„Geschichten vom Glück" heißt ein Sammelband, der vor ein paar Wochen im Mainzer Matthias-Grünewald-Verlag erschien. Darin kommt — in der allerbesten Gesellschaft Wolfgang Borcherts, Hans Carossas, Max Frischs, Barbara Frischmuths, Maxim Gorkis, Ernst Jüngers, Siegfried Lenz, Garcia Marquez, Paustowskis und Rilkes — der Osnabrücker Bernhard Schulz zu Wort: Auf drei Seiten schildert er das glückliche Leben eines Mannes, der Gutes getan, Opfer gebracht und Verzicht auf sich genommen hat. Das Stückchen Prosa bestätigt den Autor als Meister der kleinen Form, der sein am pointierten Stil Auburtins, Polgars, Kerrs geschultes Schreibtalent in ungezählten Glossen, Kritiken, Feuilletons entfaltete. Heute wird er 70 Jahre alt.

Der langjährige Feuilletonredakteur der ,,Neuen Tagespost" und spätere Redakteur der ,,Osnabrücker Nachrichten" gab der Presse dieser Region wichtige Impulse. Bevor er — direkt aus der Kriegsgefangenschaft — 1945 nach Osnabrück kam, war Bernhard Schulz, der aus Lindlar bei Köln stammt, nach Abitur und Studium Mitarbeiter bei Presse, Film und Funk im Rheinland, in Hannover und in Berlin gewesen. Weite Reisen hatten ihn durchs In- und Ausland geführt.

Früh schon trat Schulz, seit Jahren profiliertes Mitglied der Literarischen Gruppe Osnabrück, auch mit Romanen und größeren Erzählungen hervor. Seine Domäne aber blieb die kleine Form. Er hört es nicht ungern, wenn man ihn den ,,Herrn über 1000 Kurzgeschichten" nennt; das Vergnügen an zugespitzten Formulierungen und munteren Anspielungen gehört zu seinem Metier. Seit Pennälertagen hat er auf diesem Gebiet unermüdlich und einfallsreich produziert, und es zu Ansehen und Erfolg gebracht. Die Themen, sagt er, findet er auf der Straße. Und auch Verlage findet er, die das in Zeitungen Verstreute immer wieder appetitlich gebündelt in Buchform herausbringen.

Man liest Schulz mit Vergnügen am Charme des Vortrags und an einer vom Rand der Erscheinungen nicht selten zum Kern vordringenden Weltsicht.

Der ironische Feuilletonist entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einem Erzähler, der — ,,angerührt vom Atem der Vergangenheit", skeptisch gestimmt gegen zweifelhafte Segnungen der Technik, abgenutzte Worte und falsche Ideale — mit Vorliebe, aber ohne Sentimentalität, das einfache Leben beschreibt. Überzeugendstes Dokument dieser Phase war bisher die umfangend bilderreiche Novelle vom ,,Gurren der Tauben in der Sommerzeit", die im HansChristiansVerlag erschien.

Aus: Neue Osnabrücker Zeitung / Freitag, den 22. April 1983

 

 

Dankbrief von Bernhard Schulz Osnabrück

Liebe Gratulanten!

Der 22. April war mein großer Tag. Ich wurde geehrt, gefeiert und beschenkt. Meine Frau brachte mir Möhrensaft ans Bett, die Enkelkinder sagten Gedichte auf, und fortan werde ich nach Tisch in einem Backenstuhl schlummern, wie es sich für einen Opa gehört. Mein Problem ist jetzt, wie schaffe ich das mit dem Bank für Glückwünsche, Geschenke, Briefe, Telegramme, Anrufe, Gemischte Chöre und Akkordeonmusik. 92 Personen haben mich besucht, 43 haben geschrieben und 32 haben angerufen - es bedeutet, daß ich 172 mal einen Brief zu schreiben habe.

Ich bin nicht der Stachanov der Danksagung, deshalb wandte ich mich an Erica Pappritz und bat um Rat in dieser Sache. Die Dame des guten Tons erschien mir daraufhin im Traum und sagte: Warum gehst du nicht hin und läßt deinen Brief vervielfältigen; die Technik ermöglicht es, per Knopfdruck heißen Dank und von Herzen kommende Grüße herzustellen.

Liebe Freunde, verzeiht mir das schnöde Tun. Der Fortschritt bringt uns um, wir wissen es. Selbst in Rom triumphiert die maschinelle Vereinfachung. In den römischen Kirchen werden Anno Santo keine Wachskerzen mehr angesteckt. Durch Einwurf einer Münze in den Automaten wird ein 10-Watt-Birnchen erweckt, das sich von selbst ausschaltet, sobald man die Kirche verlassen hat. So geht die Poesie dahin. Nichts Handgeschriebenes mehr von Ludwig Bäte oder von wem auch immer. Der Dank kommt per Drucksache ins Haus.

Der Tag, an dem ich geboren wurde, war ein Ostersonntag. Es war ein Morgen voller Glockengeläut, Amselruf und Narzissenduft. Ich hatte mir die Nabelschnur dreimal um den Hals geschlungen. Ich wollte nicht raus, ich wollte die Zukunft erst garnicht anfangen, ich wollte zurück ins Nichts. Aber die Hebamme, die Melanie Meyerbeer hieß, prügelte mich mit fester Hand ins Dasein. Und da lag ich nun im Geläut der Osterglocken, siebeneinhalb Pfund schwer und quittegelb, ausgesetzt den Strapazen gymnasialer Bildung, militärischer Erziehung und trickreichen Broterwerbs,

Wie versprochen, allen Gratulanten heißen Dank und herzliche Grüße!