Bernhard Schulz 75 Jahre

75. Geburtstag

Ein Geburtstagsmatinee zu Ehren des 75 Jahre alt gewordenen Feuilletonisten und Schriftstellers Bernhard Schulz (ganz rechts) gab es am Sonntag im Großen Sitzungssaal des Rathauses. Günther Klonz würdigte als Vorsitzender der Literarischen Gruppe Osnabrück die „poetischen Verdienste" des Jubilars, der ein genauer, gefühlvoller und humorvoller Beobachter sei. Ratsherr Paul Beckermann, der sich selbst als „Kulturvorsitzenden der Stadt" bezeichnete (er meinte wohl seinen Vorsitz im Kulturausschuß), übermittelte die Glückwünsche von Rat und Verwaltung. Gudula Budke betonte das bundesweite Ansehen, das Bernhard Schulz alsFeuilletonistund Literat besitzt, und würdigte das umfangreiche Schaffen des Autors, dessen Sprachbeherrschung ohne modische Klischees so bewundernswert sei. im MittelpunktderMatinee standen heitere, poesievolle und nachdenkliche Miniaturen des Autors, die Hans-Otto Baumgarten, Sprache und Stimmung sicher vermittelnd, las: „Der Hahn im Café-Haus", die „Hymne auf den Wind" und , Wo die Lerche singt".

Foto: Elvira Gotthardt

Geburtstagsmatinee

 

 

Grille 

Dankschreiben

Mit einer Grille, die Cello spielt, hat Wilhelm Busch, einem Freund, mit dem er gezecht, gelästert und musiziert hat, gedankt, und zwar für eine Kiste Rotspon, die ihm zum Geburtstag überreicht wurde. Auch mir, dem Verfasser dieses Dankschreibens wurde zum Geburtstag eine Kiste Rotspon in den Keller gekarrt und das brachte mich auf den Gedanken, der Wiedensahler Grille zu folgen, die ihr überschwengliches Glücksgefühl auf dem Cello kundtut. Der Grille ist es gegeben, zu streichen und zu zirpen, was unsereiner leider nicht vermag. Mir, dem Jubilar, bleibt nur die Schreibmaschine, um zu danken.

Allen Freunden, Nachbarn, Lesern, Gönnern und wohlwollend nachsichtigen Verwandten danke ich für die an meinem 75.Geburtstag empfangenen Briefe, Telegramme, Anrufe und Blumen. Ich danke jenen, die mich für einen Trunkenbold halten und mir Boxbeutel, Brandy, Calvados und sogar eine Gartenliege ins Haus geschafft haben, damit ich in bequemer Ruhestellung die zahlreichen Boxbeutelchen zum Wohle der darbenden Winzer leeren kann. Ich bedanke mich für Präsente aus dem Bereich der Literatur, der Schallplattenerzeugung und der schönmachenden Krawattenindustrie. Ich würdige den großherzigen Verzicht auf Kunstwerke von eigener Hand, auf Ergebnisse der zeitgenössischen Lichtbildnerei und sogar auf Bares.

Ich veneige mich vor den Helden, die Rühmenswertes an mir und meiner Arbeit entdeckt haben. Gesegnet seien die Damen und Herren, die gesprochen und gelesen haben. Und endlich umarme ich alle, die dreimal bedenkenlos in den Chor mit eingestimmt haben "Hoch soll er leben", nämlich Bernhard Schulz, der hier in voller Verantwortung für dieses Schreiben seinen Namen zirpt.

Osnabrück, den 8. Juni 1988

Die Geburtstagsfeier

EINLADUNG

zur

MATINEE

anläßlich des 75. Geburtstages von

BERNHARD SCHULZ

am Sonntag, dem 24. April 1988, 11 Uhr, im Ratssitzungssaal des Rathauses Osnabrück

Begrüßung : Günther Klonz, 1. Vorsitzender der Literarischen Gruppe Osnabrück

Grußworte Paul Beckermann, Vorsitzender des Kulturausschusses

des Rates der Stadt Osnabrück

Laudatio : Gudula Budke, Ehrenvorsitzende der Literarischen Gruppe

Lesung : Hans Otto Baumgarten liest Texte von Bernhard Schulz

i. A. Günther Klonz, 1. Vorsitzender

 

Es folgen Beiträge von Freunden und Verwandten zur Feier dieses Tages:

Ansprache des Herrn Kammermusikers Richard Hecht am Sonntag, dem 24. April 1988, im Hotel Hohenzollern

Lieber Bernhard!
Nach großen Worten, deren ein Ungeübter nicht mächtig ist, möchte ich Glückwünsche "in modo mandolino" - nach Art und Weise der "Mandoline" überbringen. Es sei bemerkt, dass die Mandoline" kein Musikverein ist, sondern Freunde sind, die über mehrere Dezennien hin Freundschaft, im Sinne des griechischen Wortes "Xenon" pflegen. "Xenon" steht als Synonym für Freund und Gast. Also, lieber Bernhard, nimm unsere herzlichsten Glückwünsche entgegen "Und weiterhin alles Gute", dass auch der Titel einer kleinen Geschichte in Deinem Buch "Damals auf dem Dorf" ist und hierher passt. Es sind Erinnerungen an den Tag Deiner Geburt und Geburtstagserinnerungen. Doch in den vergangenen Tagen und Heute ist alles umgekehrt.

Du schreibst: "An jenem Morgen, an dem mein Geburtstag beginnt, geschieht zunächst gar nichts. Keine Glocke läutet - jedenfalls nicht mir zu Ehren, kein Kanonenschuss hallt, kein Gesangverein tritt an, kein Trompeterchor marschiert auf, kein Telegrammbote klingelt, kein Blumenfräulein gibt Rosen ab, niemand sagt ein Gedicht auf. Auch der Rundfunk rührt sich nicht, obwohl das Glückwunschkonzert für unsereinen die einzige Chance darstellt, einmal öffentlich erwähnt zu werden. Ich höre mir die Namen zahlreicher Geburtstagskinder an, denen das Rundfunkfräulein zu ihrem großen Tag Glück und Gesundheit und weiterhin alles Gute wünscht. Heimlich hoffe ich jedes Mal, das Rundfunkfräulein möge auch meinen Namen aussprechen, aber es ist von Jahr zu Jahr eine Enttäuschung. Erst der Postbote trägt die Nachricht von meinem Geburtstag in die Wohnung. Meine Mutter hat geschrieben. In ihrem Herzen bin ich immer noch ihr "liebes Kind, obwohl ich gar nicht erwachsener sein könnte, als ich es zurzeit bin.

Gerade heute wird mir dieser Umstand wieder bewusst. Niemand hat an mich gedacht, nur die Mutter. Sie wird den Tag der Geburt ihres Kindes nie vergessen. Sie kann sich an jede Einzelheit erinnern, die mit dem Zur-Welt-Kommen ihres Kindes zusammenhing. Ihr Glückwunsch kommt immer pünktlich an. "Mein liebes Kind", schreibt sie, "ich gratuliere dir, bleibe gesund,und weiterhin alles Gute." jedes mal fügt sie hinzu: "Ich bete für dich." Als ich noch daheim war, erzählte mir die Mutter an jedem meiner Geburtstage, dass sie an jenem Tag glücklich gewesen sei wie später nie wieder in ihrem Leben. Es war, als ich geboren wurde, ein herrlicher Frühlingsmorgen. Der Tag war gerade erwacht, durch das geöffnete Fenster duftete es nach Linden und Klee, eine Amsel sang im Birnbaum und der Himmel über dem kleinen Dorf, in dem meine Eltern wohnten, hing voller Lerchen. Ich möchte bei diesen singenden Lerchen ein wenig verweilen. An einem der letzten Wandertage der" Mandoline" überraschtest Du, lieber Bernhard, Wolfgang und mich mit einem Vers des Franz von Assisi, den ich wiedergeben möchte«

"Laudat alauda deum dum sese tollit in altum dum cadit in terram Laudat alauda deum."

In der Übersetzung heißt es: "Es lobet die Lerche Gott, während sie sich in die Höhe erhebt, während sie auf die Erde niederschwebt lobet die Lerche Gott!"

Dieses Sinnbild der Lerche, "sich in die Höhe erheben" und auf die Erde niederschweben", erinnert Dich sicher an viele Stationen Deines Lebens. An Begegnungen, Ereignisse, Erlebnisse mit Dir weniger gutgesinnten Menschen, mit Freunden und der Familie an Deiner Seite, die wir herzlich begrüßen. Im Besonderen unsere liebe Gerda. Hieß es am Anfang Eurer Ehe noch: "und du sollst mein Gebieter sein" - wir finden dieses wunderschöne Duett in der "Arabella" von Richard Strauß - so wurde im Laufe vieler Ehejahre ein: "zwei einiggeht der Mensch zu best",Zitat aus den "Meistersingern von Nürnberg" daraus. Und das ist schön!

Anregend, schön, interessant auch die Impulse für die geistige Auseinandersetzung der Freunde bei unseren Treffs, lieber Bernhard.

Schöpferische und künstlerische Kräfte zu besitzen und auszustrahlen, ist auch in der modernen Gesellschaft zutiefst und zuerst eine individuelle Angelegenheit. "Es bildet das Talent sich in der Stille", in der Besinnung auf sich selbst und seine Kräfte, in einem Prozess, der vorwiegend durch Veranlagung, durch immanente Triebkraft bestimmt wird und dann zur Manifestation nach außen dringt. Die schöpferische Unruhe des Individuums ist auch in einer dynamischen Gesellschaft heutigen Zuschnitts, sozusagen die Intimsphäre, welche keinem gesellschaftlichen Zugriff zugänglich ist und sein darf.

Das ist die eine Seite des soziologischen Faktums. Die andere Seite enthüllt sich in der Fortsetzung des Zitates aus dem Torquato Tasso: "Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter in dem Strom der Welt."

Das Talent lebt nicht eine Ghettoexistenz, es lebt vielmehr in der Welt und von der Welt, an der es sich reibt und in der Reibung schöpferisch entzündet. Der Charakter des Individuums und der Charakter der Welt, in der wir leben, bestimmen sich gegenseitig und die permanente Herausforderung der Welt mit ihren Problemen gibt dem Talent seine Schaffensrichtung, wie der Gesellschaft das Gesicht.

Den Auswirkungen der technischen Zivilisation und der ex cathedra verkündeten formierten Gesellschaft müssen besondere Anstrengungen entgegengestellt werden, um das geistige Leben in seiner Vielfalt zu erhalten und um die schöpferischen und eigenwilligen Impulse für unsere Gesellschaft, die nicht unmittelbar technisch oder ökonomisch zweckbestimmt sind, vor dem exitus lethalis, vor dem Absterben zu bewahren. In eben dieser Sicht brauchen wir Kraftfelder des vielfältigen Lebens. Wir brauchen die Atomkraft von Geist, Kunst und Kultur, die uns nicht nur die Mondlandschaft und den Weltraum erschließt, sondern das irdische Leben in seiner Fülle und Farbigkeit. Wenn man Deine kleinen, liebevoll ausgestatteten Geschichten-Bändchen in die Hand nimmt und darin liest, so begegnet einem dieses Leben in seiner ganzen Vielseitigkeit und Farbigkeit. Wie heißt es doch in der Einführung zu

"Damals auf dem Dorf": ... jeder verfällt der prallen, fesselnden Schilderung und lässt sich beglückt einhüllen, in den Geruch von Ziegenbock, türkischem Honig, trockenem Heu und frischgebackenem Brot.

Für all diese Schilderungen, in denen jeder sich wiederfinden kann, sind wir dankbar und stolz, Deine Freunde zu sein.

Bernhard Schulz zum Fünfundsiebzigsten

Es sind die anderen, die Bernhard Schulz an seinem 75.Geburtstag ins Gebet der Glückwünsche nehmen und auf sein umfangreiches Werk blicken. Er selber, will man ihm zum Mittelpunkt machen, zieht sich bescheiden zurück: so wie er mit seiner Sprache umgeht, ruhig und genau, behutsam und humorig.

Bernhard Schulz ist ein längst anerkannter Meister des Feuilletons und der Kurzgeschichte, der uns seine Erfahrungen und Beobachtungen mitteilt. Einer, der die Sprache so sehr beherrscht, dass er modische Klischees nicht nötig hat und nur durch die innere Einfachheit des Stils eine überzeugende Harmonie der Sprache erreicht und konzentriert Welt einfängt: unseren kleinen Alltag und das uns nicht von den Stühlen reißende Milieu. Wer noch kann so schreiben und die Sprachbrücke zwischen uns und dem Leben bauen mit Worten der Humanität und einer nicht zu zerstörenden Liebe zum Leben? Lächeln und Wehmut, aber nie die Resignation oder tödliche Trauer stehen über diesem breit gefächerten Werk der Feuilletons, Geschichten und Romane. Und was diese Literatur so liebenswert macht, ist die Fabulierlust, die dem Leser zugleich Schmerz und Glück ins Herz legt. Nicht die Lust zu philosophieren, zu dramatisieren brilliert, nur die Freude an der lebensnahen Nuance und die still daherkommende und immer treffende Pointe. Ein Meister der kleinen Form ist Bernhard Schulz mit seinen souverän durchkomponierten Geschichten, die in einer Zeit der Schreibexperimente mit ihrem einfachen und verblüffend eleganten Stil höchste literarische Qualität präsentieren.

So konnte der Erfolg, der sich bei einigen Büchern in mehreren Auflagen niederschlug, nicht ausbleiben. Und wir, die Kollegen, wünschen Bernhard Schulz noch viele Jahre weiterer schöpferischer Kraft.

Gudula Budke 

 

Laudatio von Frau Gudula Budke am Sonntag, dem 24. April 1988 im Sitzungssaal des Rathauses in Osnabrück

Bernhard Schulz zum 75.Geburtstag

Alle große Dichtung ist Spiegelung des Lebens. Und wenn "Die Welt" und die "Bremer Nachrichten" B.S. mit dem weltbekannten Meister des Feuilletons, Victor Auburtin, vergleichen, so tun sie recht. Die "Berliner Morgenpost" schrieb: "Die Welt dieses ausgezeichneten Feuilletonisten liegt in Niedersachsen, und wenn man von der Autobahn ins Grüne herunterfährt, dann kann es geschehen, dass einem die Kindheitsgeschichten, die B.S schreibt, entgegenkommen." Und wir lasen Jahrzehntelang täglich in der Osnabrücker Zeitung bezets Familiengeschichten, die betrüblichen wie die erfreulichen, wortwörtlich und schön verpackt in Feuilletons und Kurzgeschichten. Das "Oberbayrische Volksblatt" hat das auf diesen Kenner gebracht: Es ist ein leiser, guter Humor auf diesen Seiten, viel unsentimentale Einsicht in das Leben der kleinen Leute, ein dörflicher Boll, doch versöhnlicher."

Ja, Bernhard Schulz, dessen Geburtstag wir heute feiern, ist ein längst anerkannter Meister des Feuilletons, der uns im Stil eines poetischen Realismus seine Erfahrungen und Beobachtungen mitteilt. Einer, der die Sprache so sehr beherrscht, dass er modische Klischees nicht nötig hat und durch die innere Einfachheit des Stils eine überzeugende Harmonie der Sprache erreicht und konzentriert Welt einfängt: unseren kleinen Alltag und das uns nicht von den Stühlen reißende Milieu. Wer noch kann so schreiben? und die Sprachbrücke zwischen uns und dem Leben bauen mit Worten der Humanität und einer nicht zu zerstörenden Liebe zum Leben. Man hat Jeden Moment das Gefühl, dass die Geschichten authentisch und voll Leben sind. B.S. ist ein Schriftsteller, der unmittelbar sinnlich beschreibt, was zu sehen ist. "Alles, was ich sehe, alles, was ich höre, verwandelt sich in Geschichten,"sagte er einmal zu mir bei einem Gespräch, wie man Literatur macht und wie Literatur gemacht wird. "Das Geld liegt auf der Straße, ich brauche mich nur zu bücken." Themen liegen da haufenweise herum, meinte er, bück dich und du bekommst dein Honorar.

B.S. war ein immer liebevoller Sucher nach den menschlich echten Haltungen und ein scharfer Beobachter mit Herz. Lächeln und leise Wehmut, aber nie die Resignation oder tödliche Trauer stehen über diesem breit gefächerten Werk der Feuilletons, Geschichten, Erzählungen und Romane, die in bekannten Verlagen erschienen. In dieser kurzen Laudatio alle Bücher aufzuzählen, ist nickt möglich. Der Eugen Salzer Verlag, Heilbronn, brachte allein 4 Bücher mit Geschichten heraus, die alle mehrere Auflagen erhielten. Seine Weihnachts-Bücher wurden Bestseller, die immer noch im Rennen liegen. Auch die beiden Münchener Verlage, Langen-Müller und Claudius veröffentlichten und der Christians Verlag in Hamburg. Ich möchte an einige Buchtitel erinnern: Die Krähen von Maklaki, Das Gurren der Tauben in der Sommerzeit, Bei Kerzenlicht erzählt, Damals auf dem Dorf, Abend mit Zimtsternen, Die blaue Stunde, Picknick am Mittelmeer und Stiefel für Maruschka. Sie alle werden nicht vergessen werden. Immer wieder wird man zu den Büchern greifen, nachlesen, sich festlesen.

Denn was diese Literatur so liebenswert macht, ist die Fabulierlust, die uns, dem Leser, zugleich Schmerz und Glück ins Herz legt. Nicht die Lust zu philosophieren, zu dramatisieren brilliert, nur die Freude an der lebensnahen Nuance und der still daherkommenden und immer treffenden Pointe. Ein Meister der kleinen Form ist B.S. mit seinen souverän durchkomponierten Geschichten, die in einer Zeit der Schreibexperimente mit ihrem einfachen und verblüffend eleganten Stil höchste literarische Qualität präsentieren.

Ich möchte einige Osnabrücker Kritiker zu Wort kommen lassen. Manfred Böhmer schrieb: "Der ironische Feuilletonist entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einem Erzähler, der skeptisch gestimmt gegen zweifelhafte Segnungen der Technik, abgenutzte Worte und falsche Ideale - mit Vorliebe, aber ohne Sentimentalität das einfache Leben beschreibt." "Es ist das Besondere an diesem Autor", sagte Karl Kühling, "dass er im Alltag das Nichtalltägliche, im Absonderlichen das Liebenswürdige zu finden versteht, dass er es mit einem stillen Lächeln erzählt und dass in das Lächeln gelegentlich eine heimliche Träne schimmert." "Hinzu kommt die gute, klare und beherrschte Sprache des Autors," schrieb Hanns-Gerd Rabe, "eine Sprache, die keiner modernen Verschrobenheit verfällt, keiner barocken Unlesbarkeit, sondern die sich in ihrem Stil der wertvollen Substanz der deutschen Sprache bewusst ist."

Die Liebe der Leser und das positive Echo der Kritiker da konnte der Erfolg nicht ausbleiben. "Ich habe mit fast atemlosem Entzücken sein neues schönes Buch gelesen" schrieb Ludwig Bäte in einer Buchbesprechung. Und Helmut Hertel sagte es so: "Wer seine Bücher kennt, weiß, dass ihn auch hier ein literarischer Leckerbissen erwartet." Ja, das Schmunzeln und die Treue der Leser und die weiterhin vielfachen Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften sind ihm gewiss und wir, die Kollegen, die Freunde und Gratulanten im großen Sitzungssaal des Rathauses wünschen Bernhard Schulz noch viele Jahre weiterer schöpferischer Kraft.

Gudula Budke

Frau Budke ist Gründerin und Ehrenvorsitzende der Literarischen Gruppe Osnabrück, Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher Autoren, Vorstandsmitglieder Gewerkschaft Druck und Papier und Mitglied der
Internationalen Autorenvereinigung "Die Kogge".

Sabines Worte an den Vater im Hotel Hohenzollern

Liebe Gäste, Freunde, Verwandte, Papi!

Nachdem wir nun heute morgen soviel Rührendes und Ehrendes über den Schriftsteller, den Feuilletonisten, den "Meister der kleinen Form" Bernhard Schulz gehört haben, scheint es mir an der Zeit, auch mal den Familienmenschen, den Vater BS ins Visier zu nehmen.

Eine der wesentlicheren Funktionen in seinem Vatersein war das Weck- und Frühstücksritual während unserer Schulzeit. Sonnabends durfte unsere Mutter ausschlafen und delegierte die Versorgungspflicht an unseren Vater. Dieser Aufgabe kam er auch mit großem Pflichtbewußtsein und preußischer Korrektheit nach. Schon weit vor der notwendigen und gern hinausgeschobenen Aufstehzeit erscholl der fröhlich-fürchterliche Ruf: "Zieht die Hosen an, setzt die Hüte auf - Mater Thoma ruft!" Und gleich weiter: "Zieht die Hosen an, setzt die Hüte auf - Doktor Hans Steidl ruft!" in Richtung meines Bruders Reinhard. Nun sind Mater Thoma - meine Latein-Lehrerin und Direktorin der Ursulinenschule und Dr. Hans Steidl als Direktor des Gymnasiums Carolinum sicherlich höchst ehrenwerte Persönlichkeiten - aber so früh am Morgen!? So sehr witzig fanden wir das jedenfalls nicht. Wenn Vater uns weckte, kamen wir nie zu spät, was bei unserer Mutter ja schon mal der Fall sein konnte.

Nun ist ja Bernhard Schulz, wie jedem, der ihn kennt, einleuchtet, kein typischer Vater, also einer, der mit seinen Kindern Tischtennisturniere veranstaltet, Drachen steigen läßt oder an Arbeiten mit der Laubsäge heranführt oder was es ähnliches mehr gibt.

Dafür hatte er einen unschätzbaren Vorteil: er durfte umsonst ins Kino gehen. Noch besser: er nahm mich mit und eine Freundin meiner Wahl - und das geschah an jedem Freitagnachmittag um 15 Uhr. Das verschaffte mir eine höchst beneidenswerte Position unter meinen Mitschülerinnen Diese Freitagsnachmittagsvorstellungen waren Vorführungen für die Presse, und wir waren oft allein im Kino, was das Erlebnis des Exklusiven für mich noch verstärkte.

Diese Begegnung hat sich dann folgendermaßen zugetragen -so jedenfalls berichtete meine Deutschlehrerin bei unserem 2ojährigen Abiturtreffen: Die Tür des Klassenzimmers öffnete sich, mein Vater trat ein mit den Worten: "Und dann und wann ein weißer Elefant!" und schon war eine Diskussion über Rilke in Gang gesetzt, und kein Wort mehr über Leistung Betragen oder Zensuren.

Lassen Sie mich bei diesem Bild bleiben! Ein weißer Elefant, das ist etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches, ein Wesen das sich abhebt aus der Masse grauer Artgenossen - ich möchte mein Glas erheben auf einen weißen Elefanten, auf meinen Vater Bernhard Schulz.

Ps.

"Und dann und wann ein weißer Elefant" ist eine (wiederkehrende) Zeile aus dem Gedicht "Das Karussell (Jardin du Luxembourg)" von Rainer Maria Rilke aus "Ausgewählte Gedichte" Insel-Verlag

Sabine Reinking

 

Meister kleiner Form - Feuilletonist Bernhard Schulz wird 75

Die Welt dieses ausgezeichneten Feuilletonisten liegt in Niedersachsen, und wenn man von der Autobahn ins Grüne herunterfährt, kann es geschehen, dass einem die Geschichten, die er schreibt, entgegenkommen", schrieb die „Berliner Morgenpost" über Bernhard Schulz, den ein anderer Kritiker in der „Welt" mit Victor Auburtin verglich.

Heute wird der Osnabrücker Autor 75 Jahre alt. Er ist ein Meister der kleinen Form, der sein Schreibtalent in ungezählten Kritiken, Glossen, Feuilletons, aber auch in Erzählungen und Romanen entfaltete.

Bernhard Schulz, der aus Lindlar bei Köln stammt und nach Abitur und Studium für Presse, Film und Funk im Rheinland, in Hannover und Berlin gearbeitet hat, kam 1945, direkt aus der Kriegsgefangenschaft, nach Osnabrück, wo er jahrzehntelang als Feuilletonredakteur der „Neuen Tagespost" tätig war.

Er hört es nicht ungern, wenn man ihn den „Herrn über tausend Kurzgeschichten" nennt; das Vergnügen an zugespitzten Formulierungen und munteren Anspielungen gehört zu seinem Metier. Seit Pennälertagen hat er auf diesem Gebiet einfallsreich produziert. Die Themen, sagt er, findet er auf der Straße. Und auch Verleger findet er, die das Verstreute immer wieder appetitlich gebündelt in Buchform herausbringen.

Man liest Schulz mit Vergnügen am Charme der Formulierung und an einer vom Rand der Erscheinungen nicht selten zum Kern vordringenden Weltsicht.

Der ironisch-angriffslustige Feuilletonist wandelte sich im Lauf der Jahre zu einem Erzähler, der — skeptisch gestimmt gegen zweifelhafte Segnungen der Technik, abgenutzte Worte und falsche Ideale — mit Vorliebe, aber ohne nostalgische Sentimentalität, das einfache Leben beschreibt. Die umfang- und bilderreiche Novelle vom „Gurren der Tauben in der Sommernacht" (Hans-Christians-Verlag) dokumentiert diese Entwicklung besonders überzeugend.

Bernhard Schulz zu Ehren veranstaltet die Literarische Gruppe Osnabrück, deren profiliertes Mitglied er seit vielen Jahren ist, eine Matinee, die am Sonntag, 24. April, um 11 Uhr im Ratssitzungssaal beginnen soll. mb

Aus: Neue Osnabrücker Zeitung vom 22. April 1988