Lob der Gartenlaube

Wo Gärten sind, da sind auch Garten­lauben. Gartenlauben haben mit Ar­chitektur oder gar mit Kunst nichts zu tun. Es sind liebevoll geschachtelte Hütten aus übrig gebliebenem Baumaterial. Zwei Fensterchen, mit Gardinenresten geschmückt, erhellen den kleinen Raum. Das Dach ist mit Stei­nen beschwert, damit der Wintersturm nichts davontreibt. Lustig ist die Dachrin­ne, die wie bei richtigen Häusern in einer Tonne das Regenwasser sammelt.

Ohne die Laube, wie sie in Berlin heißt, wä­re das Idyll nicht vollständig. Zwischen Sonnenblumen, rankender Klematis und wucherndem Kürbis stellt sie so etwas dar wie den Mittelpunkt eines winzigen König­reiches. Sie ist eine Insel des Friedens im reißenden Strom der Zeit.

Keiner dieser Männer, die hier graben, jä­ten, gießen, düngen und ernten, wäre bereit, mit einem König zu tauschen.

Gemes­sen an der Daseinslust eines Kleingärtners, ist König zu sein ein beklagenswertes Schicksal. Ihm, dem Kleingärtner, kann weder ein Parlament noch ein Kronrat dazwischenre­den. Kein Hitzkopf trachtet ihm nach dem Leben, und für Wanzen und versteckte Ka­meras im Efeu ist er nicht bedeutend ge­nug. Im Gärtchen gibt es außer Nachtfrost kein Problem. In die Laube mit ihrem Ge­ruch nach Erde, Kompost, Zwiebeln und Flaschenbier dringt keine Politik. Am Gar­tenzaun hört das Gezeter auf, und die Ge­mütlichkeit fängt an. Hier reden nur die Gießkanne und der Spaten. Hier ist eigener Schweiß am Werk und schafft Eingemach­tes.

Was kann schon geschehen? Wühlmäuse, Blattläuse und Wolkenbrüche kommen vom lieben Gott. Aber auch für den Weißkohl und für die Möhren ist die Schöpfung zuständig. Katastrophe und Fruchtbarkeit heben einander auf. So ist es.

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Der Kleingärtner fühlt sich unter seiner Teerpappe sicher vor Neid und Anfech­tung. Er ruht sich auf seinem Bänkchen aus und weiß, was er an seinem Frieden hat. Für ihn gibt es auf der Welt nichts Zuver­lässigeres als Gartenerde. Die Erfahrung lehrt ihn, dass in der Tat auch nichts Besseres und Schöneres zu haben ist. Einen Ge­müsegarten kann niemand im Sack davon­tragen, das steht fest.

Wenn es regnet, dann erweist sich die Nützlichkeit der Teerpappe als kluge Ent­scheidung. Der Kleingärtner zieht sich von seinen Rabatten zurück und liest die Zei­tung von gestern. Er zündet sich ein Pfeif­chen an und schaut vergnüglich zu, wie der Regen an den Blättern entlangsickert und in die Erde dringt. Die Regentonne füllt sich glucksend, und das ist Musik in seinen Ohren.

In der Laube ist ein Rest von Sonne zu­rückgeblieben, der warm aus den Brettern dunstet. Der Regen bewirkt, dass der Boden Geruch ausströmt. Im Duft der feuchten Erde, der Blumen, Gräser, Baum­rinden und Früchte kommt Seligkeit auf, die nichts kostet.
Unter der Decke hängt ein Büschel vorjäh­rigen Bohnenkrauts, auf der Fensterbank reifen Tomaten, und unter der Bank lagern Zwiebeln in einer Pappschachtel. Dutzende von bunten Samentütchen sind fächerartig an die Wand gezwickt, ein Album schöner Blumen und Gewächse, ein botanischer Lehrgang, eine originelle Plakatierung der Fruchtbarkeit.

Wenn Volk irgendwo einen Himmel hat, dann hier. Nur dass dieser Himmel statt der Geigen voller Spaten hängt. Radieschen und Erdbeeren sind schließlich auch eine Sache, für die sich Begeisterung bezahlt macht. Jedem das Seine. Uns die Garten­laube mit Schollentreue, den anderen die Limousine mit Vorwärtsdrang. Es kommt immer darauf an, wer drinsitzt.

Bernhard Schulz, 1951