Start und Ziel: Löwenpudel

Dritte Heimatfahrt des Verkehrsvereins war ein Erfolg

Die dritte vom Verkehrsverein inspirierte und vom Reisebüro Schrand durchgeführte Heimatfahrt berührte die Orte Hilter, Bad Laer, Bad Rothenfelde, Wellingholzhau­sen, St. Annen, Melle und Gesmold. 150 Teilnehmer, verstaut in drei komfortablen Reisebussen, lernten auf einer ca. sechsstündigen Fahrt (82 km) unbekannte landschaftliche Schönheiten und bemerkenswerte historische Punkte des Osna­brücker Landes kennen. Wer von uns hat gewusst, dass der Holunder noch in Blüte steht, der Rhododendron, der Jasmin, der Sauer­ampfer?

Den Omnibus füllen Menschen, die am Mittwochnachmittag frei haben. Beamte sind dabei, denen man die Sorgfalt ihres Tagewerks ansieht, Säuglingsschwestern, Kindergärtnerin­nen, Verkäuferinnen, Haustöchter. Drei Omnibusse voll Menschen, die kein Auto besitzen und statt dessen am Mittwochnachmittag einen Omnibus mieten.
Die Säuglingsschwestern machen einen ganzen Lehrgang aus. Die Teil­nahme an der Heimatfahrt ist für sie eine Art Betriebsausflug. Sie haben das Liederbuch vorher auswendig gelernt: ,Am Brunnen vor dem Tore" und „In einem kühlen Grunde" und „Wilde Ge­sellen". Es ist lange her, dass wir Volkslieder gesungen haben, denken die alten Herren. Sie schmunzeln und brummen verschämt ein bisschen da­zwischen. Wilde Gesellen, vom Sturm­wind durchweht, Keerl, das waren Zeiten . . .
Der Omnibus rollt gemächlich den Harderberg hinab. Zwanzig Kilometer pro Stunde ist Höchstgeschwindigkeit. Die Säuglingsschwestern vertragen mehr pro Stunde, sechzig bestimmt, aber den Omas und Opas ist das Tempo recht. Genüßlich gleiten ihre Augen über Kuhweiden und Pferdekoppeln. Ein Fohlen steht am Zaun und nickt einer Oma vertraulich zu. Der Bus wackelt vor Lachen. Die Omas sind das Beste, was es auf der Welt gibt, sagt das Fohlen.
Weil das so ist, fährt der Bus jetzt noch behutsamer, und die Säuglings­schwestern haben Zeit, durch ein Bau­ernhaus ganz hindurchzuschauen. Die Bäuerin steht am Herd und kocht Erd­beeren ein. Oder Stachelbeeren. Oder Rhabarber. In den Gärten prunken die Pfingstrosen, und an der Scheune wuchert Holunder. In einer Laube von Jasmin kritzelt ein Mädchen Worte mit „u" auf die Schiefertafel, und die Mutter trennt an der Jungenhose un­ten den Saum auf. Die Taugenichtse wachsen so schnell.
In Hilter gibt eine Oma alles zum besten, was sie über Margarine weiß. Hier in Hilter kauft man auch den besten Apfelsaft der Welt, bestimmt den zweitbesten, Omas großes Ehren­wort. Wer lieber Most von schwarzen Johannisbeeren trinkt, für den weiß die Oma eine andere Adresse, in Him­bergen.
Heufuhren stehen dem Reisebus im Wege. Mit einem Male ist der Wagen erfüllt von süßlich-herbem Geruch. Er­innerungen steigen auf an Ferien, die man als Kind auf dem Lande verbracht hat. Alle Sommer unseres Lebens sind dahin, neue Sommer werden kommen, neue Ferienkinder und neue Omas und ein Lehrgang von Säuglingsschwestern nach dem andern.
Die Straßen sind tadellos in Ord­nung. Es gibt Strecken von bezaubern­dem Reiz. Bauernhöfe am Wege, Kir­chen und Gasthäuser. Rotes Gestühl lehnt an den Tischen, auf denen immer auch ein weißes Huhn kakelt. Im Hin­tergrund blauen die Höhen des Teuto­burger Waldes. In Bad Rothenfelde liegt Sonne auf Salinen und Blumen­beeten. Ein Kind reitet auf einem Pony. Durch die Noller Schlucht gleitet der Bus nach Wellingholzhausen hinauf. Dort gibt es Kaffee und Obsttorte. Der Beutling ist zu sehen.
Und immer wieder Heu und Jasmin und Stockrosen. Gespräche über Butter­preise, Erdbeertorte, Waschmittel und Kaffeezubereitung. Oma mahlt den Kaffee immer noch mit der Hand, da­von läßt sie nicht. Es ist das kleine Glück, das hier besprochen wird. Das kleine Glück macht einen Ausflug. Das kleine Glück macht zwanzig Kilometer in der Stunde.
Dörfer, die Neuenkirchen, St. Annen und Riemsloh heißen. Verwitterte Grabsteine an Kirchenmauern. Rot­lackierte Traktoren im Schaufenster. Eine Zitrone auf dem Marmorsims einer Metzgerei. Ein Habicht über dem Wald. Die Wasserburg derer von Hammerstein in Gesmold. Der junge Baron lädt drei Omnibusse voll bescheidener Wanderer in den Schloßhof ein und erzählt die Geschichte des alten Tur­mes. Ehrfurcht vor morschem Ge­mäuer und versumpften Gräben. Durch ein offenstehendes Fenster sind Hirsch­geweihe, Hellebarden und Ahnenpor­träts zu sehen. Ein Mann mit einer Spitzenkrause um den Hals, und im Park zerbröselt die Statue eines Liebesengels.
Links liegt der Holter Berg mit Reh­wiesen und Getreideäckern. Es blüht der Mohn und die Kornrade. Über Bissendorf ragt der Kirchturm von Achel­riede in die Abendsonne. Wolken ziehen auf. Zu Ende ist die Fahrt. Gute Nacht, Oma. -1z

Osnabrücker Stadtanzeiger